Ziel des Bloggs

Dokumentation EZA Aktivitäten von Sven Schoderböck u. Sarah Namirembe in Kampala, Busia, Kayunga u. Luwero mit folgenden Zielen:
Armutsbekämpfung, Waisenhaus, Schulen, Abfall, Siedlungswasserbau; motivieren mitzumachen oder selber etwas zu versuchen
Kontoinformation Spenden: Bank Austria: Konto Nr.50293147800 (IBAN: AT70 1200 0502 9314 7800, BIC: BKAUATWW) Bitte Namen des Spenders angeben! Spenden
die nach Projektende eintreffen werden für eine Fortsetzung gesammelt bzw. nach Uganda bevorzugt für Maßnahmen im Waisenhaus überwiesen.

11.03.14

Perspektiven

Ich habe wieder einmal ein Mail vom Waisenhaus bekommen, mit traurigem Inhalt, nämlich dass die Kinder nichts mehr zum Essen haben. Ich kann diesmal nicht einmal Sarah hinschicken um der Sache nachzugehen. Geld schicken ist momentan auch schwierig, so lange ich keine Jobzusage bekomme. Selbstzweifel und Unverständnis warum man mein Wissen und Engagement nicht anerkennt wechseln sich bei mir momentan ab. Auch einen Vergleich mit anderen die es "geschafft" haben lässt grübeln und bindet Energien die man für etwas anderes besser einsetzen könnte. Immerhin habe ich den link Solar Test 2004 mit erweiterten Inhalten und aktuellen Erfahrungen ergänzt. Die Solarrecherchen und Versuche sind immer neben her gelaufen ich glaube aber dass in diesem Text ein großer sehr praxisorientierter Erfahrungsschatz für Kleinstlösungen in Uganda liegt. Mir hätten diese Infos sehr viel gebracht, hätte ich diese schon vor 5 Jahren gehabt.
Sollte jemand damit etwas anfangen können bitte ich um eine kleine Spende, das Konto ist oben eingeblendet.

Joseph vom Schulbauprojekt in Busia geht es gesundheitlich nicht gut. Er hat viel von seiner mitreißenden Energie verloren und konnte auch für die EZA Bewerbung, bei der Beurteilungen von anderen Personen verlangt werden, nicht mehr helfen und würde wohl jetzt selber Hilfe brauchen. Die Schulfertigstellung, sollte es da noch eine Chance geben wird zusätzliche externe Unterstützung benötigen. Ich glaube dass es Joseph wieder etwas besser gehen würde, wenn er eine lösbare sinnvolle Aufgabe bekommt. In diesem Punkt sehe ich eine gewisse Seelenverwandtschaft zu mir selber. Beim Waisenhaus habe ich von einer größeren privaten Organisation aufmunternd Tipps bekommen. Die Tür war sogar einen Augenblick für konkrete Hilfe (zum Beispiel Patenprogramm) für das Waisenhaus offen. Momentan bin ich nach dem letzten Gespräch eher verunsichert ob ich es richtig gemacht habe. Ich möchte die kritischen Punkte in den nächsten Absätzen aufarbeiten.

Eine Ebene des Problems ist, dass es "wo anders", z.B.: am Land in Uganda oft noch größere Armutsprobleme gibt, als dort wo man gerade tätig ist. Auch ich habe teilweise so argumentiert, unter anderem beim Vernetzungstreffen 1:1, wo sich kleine EZA Akteure treffen. Viele Akteure sind in relativ reichen Ländern tätig. Mit einer Maßnahme die einem Kind zugute kommt kann man 5 Kindern wo anders (wo ärmer) helfen. Ich habe es aber vermieden das direkt auszusprechen, da viele der Kleinprojektverantwortlichen mit so viel Energie und Freude bei der Sache waren und noch immer sind. Sogar Rumänien eines der ärmsten EU Länder tummelt sich korreliert mit dem HDI noch an der Grenze zur Ersten Welt während Subsahara Afrika noch immer weitgehend zur sogenannten dritten Welt gehört. Es ist auch meine Meinung, dass man dort helfen soll wo Armut am größten ist und wenn möglich auf einer Ebene auf der man auch Strukturen verändern kann. In armen Ländern mit einer sehr reichen Oberschicht kommt die Problematik dazu, dass man in diesen eigentlich gegen den Reichtum bzw. für eine bessere Verteilung des Geldes und in Wert setzen von gesellschaftlich Sinnvollem kämpfen sollte. Bei einer Hungerhilfe hat ein hin und her überlegen aber keine Berechtigung mehr obwohl es sogar sein kann, dass man die Strukturen, die hinter dem Hunger stehen im negativen Sinne beeinflusst. Ich habe versucht den Aspekt "Hilfe wo diese am Nötigsten ist" bei meinem zweiten Aufenthalt in Busia im Umfeld aufgelassenes Waisenhaus / Straßenkinder nachzugehen. Die Zeit war aber zu knapp und ich wusste auch nicht wie ich es am Besten anstellen sollte. Ich hoffe, dass es inzwischen gerade für die ärmsten z.B.: die Müllsammler eine Perspektive gibt. Beispiele aus anderen Ländern zeigen dass eine Überhöhung der Müllsammler als Geschäftsidee einer Selbstorganisation von unten zu einer Idealisierung der Armut führen kann, die auch nicht erwünscht ist. Da ist es eine spannende Aufgabe den richtigen Weg zu finden (und den auch gegen andere Interessen durchzusetzen).

Ich habe viel darüber geschrieben, wie man den informellen Sammel- und Verwertungsschienen so unter die Arme greifen könnte, dass die Müllsammler oder andere Personen aus der ärmsten Schicht "mitgenommen" werden. Zur Verbesserung der Sammel und Verwertungsschienen bedarf es einer genauen Erhebung bestehender Strukturen und ein institutionelles unter die Arme greifen zur Verbesserung dieser. Momentan hat z.B.: jeder "kleine" Müllsammler andere Kunststoffsorten auf die er sich spezialisiert hat, die zum Teil in Kenya gesammelt werden. Eine Effizienzsteigerung bedeutet neben größeren Mengen an Verwertbaren und einer Verbesserung der Umweltsituation ein weniger an Beschäftigten, die aber dann, wenn die Verteilung richtig funktioniert besser bezahlt werden könnten. Ein kopieren oder auch nur leichtes Abwandeln unseres Modells ist schlicht zu teuer. Trotzdem wäre die Einbindung des informellen Sektors es ein wesentlicher Beitrag zur Armutsbekämpfung.  Man kann Strukturen schaffen die zum Teil auch auf andere Bereiche umzusetzen sind.

Über den zweiten Zweifel bezüglich Geld für das Waisenhaus habe ich auch schon geschrieben. Es sind die kleinen Kinder die in Kampala auf der Straße sitzen. Vielleicht sollte man da mehr machen, auch wenn da eine Inszinierung bzw. Instrumentalisierung dahinter steckt. Aber ich hätte mein Geld auch für etwas völlig Sinnloses wie ein teures Auto oder für die Ersteigung eines hohen Berges ausgeben können. Dieser Perspektivenwechsel erscheint auf den ersten Blick trivial; er ist es aber nicht. Mit vielem Sinnlosen schafft man sich Anerkennung, auch wenn die Kompensation des Ressourcen fressenden Vierrads durch ein Titan berahmtes und gefinkelt befedergabeltes Zweirad ein Lichtblick sein könnte, wäre da nicht der Boda Boda Fahrer in Busia der mit einem Fahrrad ohne Gänge seine Familie ernährt. Ziegler hat angesichts dieses sinnlosen Reichtumsgegenpols gesagt "Ein Kind das an Hunger stirbt wird ermordet." Wir haben genug, dass wir uns sinnloses Materielles leisten können. Immerhin haben meine Maßnahmen immer direkt den Kindern geholfen und wenn die Nahrung fehlt gibt es kaum mehr ein "Wichtiger" und auch die Frage was hätte man besser machen können stellt sich nicht mehr. Vielleicht wäre später eine höhere externe Spende hereingekommen, wenn die Kinder schlechter ausschauen. Vielleicht hätte man dann mehr Geschäft mit der Armut über Mitleid machen können. Dieser Ansatz wird aber auch jenen die Anhänger des neoliberalen Wirtschafts- und Selbstregulierungssystems zynisch vorkommen. Hoffentlich?! Der "perfekten" Version der Selbstregulierung fällt alle 5 Sekunden ein Kind zum Opfer.

Es kann vorkommen dass Waisenhäuser als Melkkuh für Geber insziniert werden. Damit ist gemeint, dass die Kinder eigentlich Eltern haben, diese aber die Kinder ins Waisenhaus geben, da die Institution Waisenhaus Möglichkeiten hat an Förderer zu kommen, eine einzelne Familie aber nicht. Das kann so weit gehen, dass die Kinder nur im Waisenhaus sind wenn ein Sponsor auf Besuch angemeldet ist. Das trifft für Oasis nicht zu. Ich war zu oft unangemeldet dort, es waren dann oft nicht alle Kinder da, aber es war alles begründbar. Also muss man sich die Frage stellen ob es Kinder gibt die nicht bei den Eltern bleiben wollen oder Eltern die ihre Kinder lieber im Waisenhaus sehen. Da muss man dann genauer hinschauen. Sind die Eltern nicht in der Lage die Kinder zu versorgen. Sind die Kinder davongelaufen, weil sie geschlagen wurden oder schlicht keine Chancen hatten, oder einfach "schlimm" sind, oder ist für die Eltern das Waisenhaus eine billige Ganztagseinrichtung. Man muss der Sache nachgehen. Die Geschichten, die ich aus den Erzählungen der Kinder nacherzählen kann sind sehr unterschiedlich. Meistens sind es "echte" Waisen, manchmal sind sie von den Eltern davongelaufen und das Waisenhaus versucht sie von der Straße wegzubringen. Manchmal werden sie von einem Elternteil abgegeben, da diese verzweifelt sind und das Kind nicht ernähren können. Das sind Fragen die man sich stellen muss, wenn man ein Kind aufnimmt. Wenn man sieht wie die Kinder auf kleinste Geschenke reagieren oder sich über das Essen stürzen ist es aber klar erkennbar, dass die Kinder Hilfe brauchen. Wenn es ihnen wo anders besser ginge würden sie anders agieren. Es macht wenig Unterschied ob das Kind in der Familie hungert oder im Waisenhaus obwohl es kein echtes Waisenkind ist. Ein Kind dass nicht in die Schule gehen kann ist förderungswürdig egal ob es in einem Waisenhaus oder bei den Eltern aufwächst. Den Nachweis was mit dem Geld gemacht wird kann man sich durch Rechnungen holen, was ich immer gemacht habe. Bei den Schulgebühren, soweit ist es mit meiner Patenprogrammidee leider noch nicht gekommen, muss man natürlich nachfragen wie hoch die Gebühren für andere Kinder sind um da nicht ausgenutzt zu werden. Aber eines muss man sich klar sein, auch wenn der Direktor der Schule etwas Geld für andere Schüler abzweigt und vielleicht auch etwas für seine eigenen Kinder abzweigt, ist er in der Regel noch immer ärmer als der Spender. Eine Essenz aus diesem "Rundgedachten" ist, dass man viel tun muss, dass das Geld bei den Ärmsten landet und dass man viel tun muss um das Gefälle zwischen arm und reich zu verringern.

 In einer "gleicheren" Gesellschaft treten diese Probleme wenn überhaupt nur "schaumgebremst" auf. Und wir müssen uns schon noch einmal in Erinnerung rufen worüber wir reden, es geht nicht um eine Überlegung wie man gewissen Bankern, die die Weltwirtschaft in eine Krise geführt haben die Boni kürzt, sondern um eine Ebene wo viele sprichwörtlich um Brotkrümel kämpfen müssen. Wenn auf ein System trifft wo die sogenannte Elite leider immer korrupter wird hat man kein Recht etwas an der ärmsten Basis zu kritisieren ohne sich selbst vorher in den Spiegel zu schauen. Ich bin bisher noch nie von den sogenannten Armen enttäuscht worden, es waren eher die "eigenen" Leute; oder um es etwas unpersönlicher zu sagen; jene Rahmenbedingungen die wir durch unser Wirtschafts - und Arbeitssystem geschaffen haben, die das Falsche belohnt und uns Knappheit und Grenzen falsch bewerten lässt.

Das alles sind nicht die Gründe die mich immer öfter ans Aufgeben denken lassen. Es ist für mich ein Punkt erreicht wo ich selbst dringend eine Unterstützung benötigen würde z.B.: durch einen Job. Dass man nicht mehr ganz aufgeben wird können, weil man irgendwie süchtig geworden ist, weil man mit dem Blick des Rauplaners, Bautechniker oder auch Pädagogen alles Erlebte kontextualisiert. Das Thema Entwicklung im Sinne der Armutsbekämpfung ist Lebensinhalt und Maßstab geworden.
Es sind ganz einfache Alltagserfahrungen , die das Aufgeben schwierig machen. Ich bin in Wien in der Nähe der Bücherei für Entwicklungszusammenarbeit und man ist plötzlich drinnen in der Bücherei und sitzt vor einer Zeitschrift über EZA, oder man steht in einem Baumarkt und sieht eine neue Konstruktion mit Retentions und Drainage bzw. Sickerwirkung die man unter dem Waisenhaus statt unserer Konstruktion des Sickergrabens verwenden hätte können. So war es auch bei meiner letzten Tätigkeit in der Bauwirtschaft. Ich habe viele Ideen auf technischer, kultureller, organisatorischer,... ebene und kann das alles nicht verwenden. Das macht müde. Ich brauche dringend eine Aufgabe. Zu Hause sitzen und nicht gebraucht zu werden macht krank.



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